Kampagne

Der Bündner Aktionstag Alkoholprobleme 2020

Bei suchtgefährdeten Menschen ist das Risiko an einer Alkoholabhängigkeit zu erkranken wegen der Coronakrise derzeit erhöht. Suchtexpertinnen und -experten gehen von einer Zunahme von Fällen aus. Deshalb treten die Bündner Institutionen der Suchtprävention-, -beratung und -therapie am 14. Mai mit der Bevölkerung in Kontakt.

Das Ziel des Aktionstages Alkoholprobleme ist, das Tabu der Alkoholabhängigkeit zu brechen und die Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren. Auf dieser Informationswebsite finden Nutzerinnen und Nutzer Selbsttests, Gesprächsleitfäden, Geschichten von Betroffenen sowie die kantonalen Anlaufstellen für professionelle Hilfe. Zudem können sie ihre persönlichen Fragen stellen, die von Fachexpertinnen und -experten beantwortet werden.

Der Bündner Aktionstag ist ein Teil des Nationalen Aktionstages Alkoholprobleme, der wegen des Coronavirus nicht wie sonst üblich an einem Tag im Mai stattfindet, sondern auf ein noch zu bestimmendes Datum im Herbst verschoben wurde. Das Gesundheitsamt Graubünden hält jedoch am ursprünglichen Tag fest, da insbesondere in Krisensituationen Suchtthemen von hoher Relevanz sind.

Hintergrund: Alkohol ist kein Tabu, die Probleme schon

Alkohol ist ein angepriesenes Konsumgut. Trinken ist die Norm, Abstinenz die Ausnahme. Wer an einem Apéro keinen Alkohol trinken möchte, muss sich mitunter erklären oder nach Alternativen verlangen. Wer viel Alkohol verträgt, gilt als stark, wer aber die Kontrolle verliert, wird ausgegrenzt. Wer jemanden aus Sorge wegen dessen hohen Alkoholkonsums anspricht, fürchtet zu brüskieren. Wenn es problematisch wird, wird meist geschwiegen. Allgemein spricht man in der Schweiz gemäss Umfrageresultaten kaum über das psychische Befinden. Die Mehrheit der Personen fürchtet negative Reaktionen, wenn das Umfeld erfahren würde, dass es ihnen nicht gut geht. Betroffene und nahe Angehörige meiden es, über die Alkoholprobleme zu sprechen, um nicht als «Versager» dazustehen. Auch befürchtete Folgen wie der Arbeitsplatzverlust oder der Sorgerechtsentzug sollen vermieden werden. Betroffene neigen dazu, sich zurückzuziehen und sie sind von Scham- und Schuldgefühlen geplagt. Diese sind eine grosse Hürde auch dafür, sich Unterstützung zu holen – ein Teufelskreis entsteht, der noch mehr Probleme mit sich bringt.

Zahlen und Fakten

  • In Graubünden weisen 3.9 % der Bevölkerung ein mittleres bis hohes Risiko eines chronischen Alkoholkonsums auf (Gesundheitsbefragung 2017).
  • 250'000 Personen in der Schweiz sind von Alkoholabhängigkeit betroffen. Gut eine halbe Million Menschen ab 15 Jahren hat mindestens eine Person in der engeren Familie (Mutter, Vater, Geschwister, Kinder und Partner oder Partnerin) mit einem Alkoholproblem (und evtl. zusätzlichem Problem mit anderen Drogen). Dazu kommen etwa 100‘000 Kinder aus alkoholbelasteten Familien.
  • Alkoholprobleme kommen in allen Gesellschaftsschichten vor.
  • Viele Betroffene wurden abhängig, ohne je stark betrunken gewesen zu sein.
  • Rückfälle sind häufig auf dem Weg aus der Sucht.

Hilfesuche aus reiner Verzweiflung

Dass Betroffene die Probleme lange vor sich hinschieben und verheimlichen, weiss Bartholome aus eigener Erfahrung. Mit 46 Jahren hörte er auf zu trinken. Zuvor hatte er lange Jahre seinen übermässigen Konsum verleugnet – sich und anderen gegenüber. «Ich trank bis zur Besinnungslosigkeit. Am Schluss ging ich nur noch jeden zweiten Tag zur Arbeit und ich hatte Suizidgedanken», erinnert er sich. Er riskierte, alles zu verlieren, die Ehefrau und die Arbeitsstelle. Aus purer Verzweiflung holte er sich Hilfe. In einer Klinik wurde ihm geraten, die AA Anonymen Alkoholiker aufzusuchen. Dieser Schritt brachte in seinem Fall die Wende. Der Austausch mit anderen Betroffenen hat ihm geholfen – bis heute. Auch nach über zwei Jahrzehnten ohne Alkohol besucht er jede Woche ein Meeting, engagiert sich im AA Info Team in seiner Region und betreut stundenweise die 24 Stunden AA Hotline. Bartholome hat den Weg aus der Sucht gefunden, wobei ihm die Familie, der Arbeitgeber – er konnte bis zur Pensionierung bei der gleichen Firma weiterarbeiten – die Gemeinschaft der AA und ein Quäntchen Glück zur Seite standen. «Aber ohne die eigene Einsicht ist keine Veränderung möglich und man muss bezüglich Alkohol achtsam bleiben bis ans Lebensende», ergänzt er.


Quelle: Sucht Schweiz

Mehr Informationen zum Nationalen Aktionstag: www.aktionstag-alkoholprobleme.ch